Veracitas, oder auch Wahrhaftigkeit:

 

Ich habe mich nun doch schon einige Jahre mit der mittelalterlichen Welt beschäftigt. Immer wieder hat mich dabei fasziniert, welche Ideale damals angestrebt wurden und welche Ziele man erreichen wollte. Teilweise gibt es dabei wahrhaft grausige Dinge, wie die Geschichte jedem zeigt. Auch die edlen Ziele, die sich die Ritter damals gesteckt hatten, arteten oft aus und schlugen nicht selten ins Gegenteil um.

Trotzdem ändert das nichts daran, das das ursprüngliche Ideal ein gutes war. Mich selbst hat dabei immer wieder der Begriff der Wahrhaftigkeit beeindruckt und letztlich habe ich beschlossen, mich daran zu versuchen.

Zugegeben, obwohl ich mich schon länger damit beschäftige, ist es nicht ganz einfach, das zu erklären. Sehr viele Dinge spielen dabei mit hinein. Wenn man im Internet sucht, wird man auf einige Deutungen und Erklärungsversuche stoßen, die auf ganz unterschiedliche Sichtweisen schließen lassen.

Ich denke, im Grunde haben alle irgendwie Recht, die darüber schreiben. Und sicherlich hat es, wie aus dem Begriff hervorgeht, sehr viel mit Wahrheit zu tun. Ich glaube aber auch, das ist nicht alles.

Zu seinen Taten und Worten zu stehen. Den anderen Menschen nicht durch Leichtfertigkeit, Falschheit oder Hinterhältigkeit zu schaden. Ich meine, das trifft den Kern ganz gut, was man sich in alter Zeit dabei dachte.

 

Wahrhaftigkeit nach außen:

 

Im ersten Moment mag es sich nach Weltverbesserei anhören, aber ich muss mir nur einen Abend lang Werbung ansehen, um mich nach etwas mehr Wahrhaftigkeit zu sehnen.

Warum das dann nicht einfach in dem kleinen Umfeld, das jeder selber beeinflussen kann, ändern. Versprechen nicht mehr leichtfertig geben und sie dann auch halten. Wenn man sich an Verträge gebunden hat, diese auch beachten, soweit es vertretbar ist. Wenn man für jemanden etwas tut, dann ohne Hintergedanken und in Erwartung einer Gegenleistung. Ebenso auch mal nein sagen, wenn man was nicht tun will. Wenn man gefragt wird, ehrlich Antwort geben und keine Ausflüchte suchen. Ich kann gerade diesbezüglich nur Vorwarnen. Man wird feststellen, das man oft etwas gefragt wird, ohne das der Fragende wirklich eine ehrliche Antwort will, oder erwartet.

 

Liebe Männer, was gebt ihr zur Antwort, wenn euch eine Frau fragt, wie euch das Kleid gefällt, oder ob man glaubt sie sei zu dick?

Liebe Frauen, was gebt ihr zur Antwort, wenn euch ein Mann begeistert sein neuestes technisches Spielzeug zeigt?

Was sagt man dem Chef, der einem gerade sein neuestes Projekt vorstellt und das einen nur wenig begeistert?

Jeder findet sich wohl immer wieder in solchen Situationen wieder.

 

Es gibt Beispiele genug, wo man sich ganz ernsthaft auf dünnes Eis begibt, wenn man seine ehrliche Meinung unbedacht äußert. Hier kann man, wenn man ehrlich sein will, oft nur durch die Wortwahl verbessern.

 

Wahrhaftigkeit nach innen:

 

Und es gibt noch etwas, bei dem man Wahrhaftig sein kann. Aus meinen eigenen jüngeren Erfahrungen heraus, möglicherweise der schwerste Aspekt. Wie steht es mit Empfindungen, mit Gefühlen. Wie ist es, wenn Herz und Verstand nicht die selbe Sprache sprechen? Hier geht es um Ehrlichkeit sich selbst gegenüber. Vieles wird hier tief vergraben und für manch einen ist diese Baustelle vermutlich die größere. Es kann nach derzeitigem Stand des Wissens aber davon ausgegangen werden, das solch vergrabenes durchaus auch Schaden an uns verursachen kann. Also alles rauslassen was einen bewegt, ohne Rücksicht auf Verluste, wie es so schön heist?

Das kann meiner Ansicht nach, auch nicht das Ziel sein. Auch alle anderen haben Befindlichkeiten und es schadet nichts, so weit wie möglich darauf Rücksicht zu nehmen. Ich will ein Beispiel nennen, das vermutlich keinem ganz fremd ist. Es bezieht sich auf den negativen Teil der Empfindungen.

 

Eine andere Person gibt einen Kommentar zu etwas ab, der uns verletzt. Es ist eigentlich gleichgültig wie es uns trifft. Zorn, Wut, Angst oder Enttäuschung. Sofort hochzugehen führt oft zu Streit und nicht selten zum Bruch. Es in sich hineinzufressen, vor allem über längere Zeit, nicht selten zum gleichen Ergebnis. Ein gangbarer Weg ist wohl, glaube ich, erstmal wieder ruhiger zu werden und sei es mit kurzem Rückzug wenn nötig. Rennt man nicht einfach weg, sondern stellt klar, das man sich über das Gesagte erst besinnen möchte, bevor man weiter darüber spricht, wurde mir das bisher noch nie verweigert. Setzt man dann das Gespräch fort und versucht vor allem, dem anderen darzulegen was die Äußerung bei einem selbst ausgelöst hat, kann man vieles klären und oft feststellen, das es gar nicht verletzend gemeint war.

 

Ein Beispiel das, wie mir wohl bewusst ist, nicht immer funktioniert. Leider verletzen Menschen mit ihren Worten auch ganz gezielt und absichtlich. Aber auch in dem Fall sollte man zu seinen Empfindungen stehen. Manche Situationen sind auch alleine nicht zu bewältigen und Wahrhaftigkeit kann auch bedeuten, sich das einzugestehen. Dann fachliche Hilfe, zum Beispiel einen Therapeuten in Anspruch zu nehmen, ist ebenfalls keine Schande.

 

Mit allen andern Gefühlen ist es ähnlich und oft nicht einfacher.

Dankbarkeit, Begeisterung, Glück, Liebe und was sonst noch alles in uns steckt. Auch in diesen Dingen kann man Wahrhaftig sein und zum Beispiel ein Lob aussprechen.

 

Es ist wie bei vielen Dingen auch bei der Wahrhaftigkeit wohl der Weg dahin schon ein Ziel. Mit jedem Tag an dem ich mich daran versuche, finde ich Stolpersteine und habe Erfolgserlebnisse. Ohne Zweifel eine spannende Sache.

 

Letztlich, es wird immer ein Ideal bleiben, bei dem jeder entscheiden muss, wie weit er dabei geht. Ich selber habe das Glück, das mein Umfeld eine ehrliche Meinung schätzt, was es einfacher macht. Wobei einige mich eher nichts mehr fragen und andere dafür um so mehr.

Die Wahrhaftigkeit halte ich für durchaus erstrebenswert.